Samstag, 4. Oktober 2014

Reise an die Amalfi-Küste – oder: Im Land der Beutelschneider. [2]

Amalfi #4
Goethe war auch schon mal da...
Von allen Sinnen!
Nach der zähen, über Umwege führenden Ankunft hieß es sich einrichten in Bella Italia (aber immer auch etwas Ballaballa). Zum Einleben gehört auch all die Eindrücke in sich aufzusaugen, die sinnlich erfahrbar sind. Und in Italien sieht man vor Allem viel aber das Hören und auch Riechen kommen nicht zu kurz. 
Die Amalfi-Küste zählt laut Touristenführer zu den wunderschönsten der Welt. Richtig. Aber auch zu den Küstenregionen, die vielerlei Fragen aufwerfen: Wie zur Hölle haben die diese Serpentinenstraßen in den Fels geklebt bekommen? Wie haben die Eingeborenen ihre Behausungen an den Fels genietet bekommen? Wurde die Auto-Hupe von einem Italiener erfunden? Fragen über Fragen...
Gerade die Geräusche machen das Feeling aus an diesem Ort. Allein in der tiefsten Nacht scheint das Hupen zu verstummen, wird aber abgelöst von Hundegebell, Eselgewieher, ab und zu uhut eine Eule und man wird geweckt von den Wohngeräuschen der anderen Hotelgäste. Nie war ein Hotel hellhöriger und nie wollte man wissen, wodurch das eine oder andere Kratzen, Schlagen, Klappern oder Gepolter verursacht wurde. Hier furzt man doch lieber leise.
Apropos Geruch: auch dieser urig animalische Sinn wird vielgestaltig angesprochen. In Griechenland dominierte immer eine Mischung aus Meeresbrise und fettem Essen. In diesem Teil Italiens herrscht eine merkwürdige Melange aus kaum katalysierten Abgasen, Kaffee und anderen nicht näher bestimmbaren Gerüchen. Besonders die bläulichen Abgasnoten dominieren in Amalfis Zentrum und den engen Seitengassen. An einigen Abenden fühlte man sich zurückversetzt in die zweitaktigen Zeiten von Trabant und Co. – auch wenn hier Bootsabgase, alte Kleinwagen wie Fiat 500, Vespas und andere drollige Vehikel in buntesten Ausführungen die Verursacher zu sein schienen, die sich noch durch die mikroskopischste Gasse und belebteste Fußgängerzone quetschten. Auch der Italiener fährt gern direkt vor bis ins Wohnzimmer...und hupt und ruft natürlich dabei in den schrillsten Tönen.

Happy Funeral!

Tod in Amalfi.
Klischees brauchen Bestätigung. Und da Italien an dieser Stelle des Stiefels ein einziges Klischee sein muss, um Erwartungshaltungen erfüllen zu können, gehören Dinge wie buntes Treiben, wildes Gestikulieren, nerviges Hupen, ständiges Palaver (bevorzugt in Smartphones mit Freisprechfunktion) und die katholische Kirche dazu. Und als hätte es der Beelzebub in Reiseleitermanier vorbestellt, durften Touristen Zeugen einer Beerdigungszeremonie werden. Am Fuße der stufenreichen Treppe des Domes von Amalfi stand eines Abends eine stattliche Leichenkutsche deutscher Provenienz, eine Menschenmenge versammelte sich halbkreisförmig oder blieb entfernter stehen, melodiöses Glockengeläut, Geschäfte und Restaurants schlossen unerwartet die Markisen und die Bürgersteige wären auch hoch geklappt worden, hätte es welche gegeben... Nur ein paar Hobbyfotografen ostasiatischer Herkunft knipsten unbeeindruckt weiter. Dann ging weihrauchumwabert die hohe Pforte auf und ein großer Pulk Trauernder hievte einen Sarg monumentalen Ausmaßes die Treppe herunter. Im Tross der Trauernden schritten gesenkten Hauptes und den Sarg im Vorbeigehen tätschelnd allerlei farbig dekorierte Gestalten: Frauen mit Rosenkränzen, gelangweilte Kinder, Alte mit krempelig verwucherten Füßen, Uniformfetischisten und andere Marinierte und Marineangehörige. Nur nicht fallen lassen die Kiste... Es herrschte Stille, nicht lang, aber gänsehautreizend...nur noch das Knipsen der Asiaten drang ans Ohr. Dann bog die schillernde Prozession den Sarg immernoch kollektiv geschultert um die Ecke und verbrachte eben jenen zu seinem letzten Verbleib.
Der Friedhof von Amalfi thront im wahrsten Sinne des Wortes übrigens über allem. Denn in Ermangelung ebener Erde, wurde der Totenacker eher vertikal über Stadt in Terrassenbauweise in den Fels gemeißelt. Man liegt dort nach Lebensende nicht in feuchter Erde, sondern wird in steinerne Abteile gewuchtet und die Angehörigen genießen das Panorama. 
Doch zurück zum frisch Verstorbenen: auf Nachfrage in einem der unzähligen Ladengeschäfte wurden von einer wuchtigen Verkaufsstellenfachkraft Details zur Leiche unters wissbegierige Touristenvolk gebracht. Der Tote sei ein 58 Jahre alter stadtbekannter Ein- und Ausschiffer gewesen, der unter mysteriösen Umständen leblos in einem Boot aufgefunden worden sei. Gift sei wohl im Spiel gewesen. Oder sah es wie ein Unfall aus? Wer weiß das schon so genau hier in Italien...

Amalfi #5 (inklusive Carabinieri & Costa Concordia Mini-Memorial)
Nicht nur Extraportionen kosten extra...
Brillen, Schuhe, Anziehsachen, Tischgedeckzuschlag – 
So werden die Umsätze in diesem Land erzielt!
Berühmt ist Italien nicht nur wegen Pizza, Mafia und Pasta, sondern auch für die erlesenen Produkte, die dort feil geboten werden. Und wie vieles hat – das trifft besonders auf Italien zu – immer zwei Seiten. Oder anders ausgedrückt: Wo viel Licht, ist auch viel Schatten. Bezogen auf das italienische Design der Gegenwart muss man feststellen, daß es nur zwei Aggregatzustände gibt: pottenhässlich und schäbig oder wunderschön und teuer. (Ausnahmen bestätigen natürlich diese chauvinistische Regel)
Brillen, Schuhe (besonders die verzierten Sandalen), Schmuck und Anziehsachen bekommt man an der Amalfiküste in rauen Mengen. Gut so. Mitunter kann man den Handwerkern – speziell den Schustern – bei der Handarbeit zusehen und weiß, daß da keine fernöstliche Kinderhand versklavt wurde. Da kommt der Verkaufserlös wenigstens beim Hersteller an. Außergewöhnlich oder nicht zu sagen gewöhnungsbedürftig bis kackdreist dagegen war die Berechnung von Gedeckaufschlag in den vielen Straßenrestaurants. Nicht nur das Essen war nach deutschen Verhältnissen oftmals überteuert, sondern auch der Teller, das Besteck und die Serviette wurden extra berechnet. Kriminelle Energien werden in diesem Zusammenhang noch frei gesetzt, wenn man als Gast nicht allein einkehrt. Zwar bestellt man zwei Getränke, aber nur eine Pizza. Das süffisant grinsende Bedienpersonal teilt dann den runden Backling kurzerhand in zwei Teile und verdoppelt so die Anzahl der Teller, um doppelt diese hirnrissige Taxe einzustreichen. Trinkgeld verdient man sich so nicht...("Ihr kleinen schmierigen Arschlöcher!" entfährt es mir innerlich noch jetzt)
Generell hat man den Eindruck, daß der geschäftstüchtige Italiener gern alles berechnen oder mit versteckten Zusatzkosten versehen würde – aber nur für den Touristen. Bestätigt wurde übrigens der Verdacht, daß Ausländer/Touristen/Besucher anders (sprich mehr) zahlen müssen als die Eingeborenen, als der Taxichauffeur am Tag der Abreise aus dem Nähkästchen plauderte: Mit italienischen Pass zahlt man teilweise nicht mal die Hälfte und alle anderen sind Melkvieh.

Amalfi #6
Silver-User
"Also das mit dem Internet und diesem Facebook kommt mir nicht ins Haus...da hört man immer so viel Schlimmes..." (sagt irgendeine deutsche Mutter). Aber andere Länder, andere Sitten: Scheinbar ist gerade bei den englischen und amerikanischen Senioren die ausgiebige Nutzung von mobilen Geräten wie Tablet-Computer und Smartphone äußerst beliebt. Man konnte schauen, wann man wollte: im kostenlos kabelfrei Internet verbreitenden Hotelfoyer saßen die angegrauten Endgerätebesitzer (männlich und weiblich) und daddelten unentwegt souverän auf ihren kleinen Apparaten herum...faszinierend!

Amalfi #7 (inklusive etwas Capri)

(Fortsetzung folgt)

(D.P.)

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